Machtkampf der Imperialismen

Russland führt seit gestern einen illegalen Angriffskrieg gegen die Ukraine, um sein eigenes, nationales (föderales) Sicherheitsbedürfnis zu stillen. Es ist ein Krieg mit jahrzehntelanger Ansage, weil der politische Weg ausdrücklich versperrt wurde. Die russlandfeindliche Eindämmungs- und Regime-Change-Strategie des westlichen Imperialismus, der sich der Institutionen von NATO und EU bedient, ist damit erneut gescheitert.

Die Vorgeschichte

Russland ist das größte Land der Erde und besitzt etwa ein Drittel aller Ressourcen weltweit. Nach dem friedlichen Ende von Warschauer Pakt und Sowjetunion hatten im Kreml Beamte der USA das Sagen. Wer einen Termin bei Trunkenbold Boris Jelzin haben wollte, musste ihn sich von einem US-Agenten geben lassen. In dieser Zeit war Russland praktisch ein US-Protektorat und eine Rohstoffkolonie, wo US-Konzernen erlaubt war, alles geförderte Gut als deren Eigentum zu betrachten und außer Landes zu schaffen. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen waren ebenso verheerend wie das Trauma für den Selbstrespekt der meisten russischen Bürger. In dieser Wunschdemokratie nach westlichem Geschmack war selbst der anti-demokratische Panzerbeschuss des russischen Parlaments 1993 ein Anlass zur Freude. Der Selbstbedienungsladen für das West-Kapital war gesichert. Nach dem Willen des US-Imperiums ist dem russischen Bären die Rolle eines politischen Esels und wirtschaftlichen Beutetiers zugedacht. Immer, wenn von westlichen Gesprächsangeboten an Russland schwadroniert wird, geht es um eine Bescheidung auf diese zugedachte Rolle.

Mit der Wahl von Wladimir Putin 2000 kam die Wende. Politik und Wirtschaft kamen wieder in russische Hand. Außenpolitik und Bedingungen für ausländische Investitionen sollten auf Augenhöhe ausgehandelt werden. Das missfiel den Kleptomanen in den USA. Darum galt ihnen Putin sofort als zu entfernender „Autokrat“ und „Diktator“. Derart dämonisiert konnte man die eigene Bevölkerung schnell gegen den gewählten Präsidenten eines anderen Landes aufbringen. Tatsächliche Diktatoren in Südamerika, Afrika oder Asien, wenn sie offen für westliches Kapital sind und die westliche Hegemonie akzeptieren, sind hingegen wohlgelittene „Freunde“ und „Stabilitätsanker“. Es geht nie um Demokratie oder Diktatur, sondern nur um Narrenfreiheit für Kapital und imperialistische Herrschaftsansprüche von Kapitalinteressen in den USA, Großbritannien und manchmal auch Frankreich oder sogar Deutschland.

In das Machtvakuum der post-sowjetischen Ära trat die NATO. Seit 1990 sind ihr 14 osteuropäische Länder beigetreten. Weitere Interessenten sind Bosnien und Herzegowina, Georgien, Kosovo und die Ukraine. Zwei davon, Georgien und die Ukraine, sind aber zugleich rote Linien für die strategische Sicherheit der Russischen Föderation. Es geht um „Sicherheitspuffer“. Zwischen Russland und dem großen NATO-Staat Türkei liegt Georgien. Zwischen Russland und dem NATO-dominierten Osteuropa liegt die Ukraine, deren Tiefebene zugleich die geografisch vorgegebene Marschroute potentieller Invasoren ist. Napoleons und Hitlers Armeen drangen hier nach Russland ein.

Auf die georgisch-westlichen Annäherungsversuche nach der „Rosenrevolution“ 2003 hat Russland 2008 mit dem Kaukasuskrieg und der Abspaltung der abtrünnigen Provinzen Abchasien und Südossetien reagiert. Auf den „Euro-Maidan“ in der Ukraine 2013/2014 hat Russland mit der Unterstützung der abtrünnigen Oblasten Donezk und Luhansk sowie mit der Vereinigung der Krim mit Russland reagiert. Für Belarus, in dem westlich unterstützte Revolutionen 2006 und 2020 scheiterten, und vielleicht auch Kasachstan, wo 2021 ein Umsturzversuch abgewendet wurde, wäre Gleiches zu erwarten.

Russische Sicherheitsbedürfnisse

Seit 1999 hat der Westen alle Angebote Russlands, auf Augenhöhe miteinander zu sprechen, zu verhandeln und zu kooperieren, in den Wind geschlagen. Alle von russischer Seite geäußerten Sicherheitsbedenken, denen durchaus reale Bedürfnisse zugrunde liegen, wurden ignoriert und übergangen. Russlands Beitrittsersuchen zu EU oder NATO wurden abgelehnt, ein Ausbau der OSZE zu einer Sicherheitsorganisation „von Lissabon bis Wladiwostok“ wurde abgelehnt, die NATO-Osterweiterung rückte immer mehr an die russischen Grenzen heran, die USA kündigten die Rüstungskontrollverträge ABM (2002) und INF (2019) auf, stationierten seitdem diverse Raketensysteme in Mittel- und Osteuropa, Regierungswechsel- und Umsturz-Versuche in Russland und in prorussischen Nachbarstaaten wurden offen und verdeckt vom Westen unterstützt, Neutralität für die Nachbarstaaten Russlands wurde abgelehnt, massive Sanktionen wurden gegen Russland verhängt, zuletzt wurden die „roten Linien“ Russlands vor wenigen Wochen von den USA in deren offizieller Antwort abgelehnt. Damit hat Russland die Bedrohungslage praktisch schwarz auf weiß zugestellt bekommen. Diese Feindschaftsbekundung konnte Russland nicht ignorieren.

Da mit der ablehnenden Antwort der USA auf russische Sicherheitsbedürfnisse final deutlich geworden war, dass ein diplomatischer Weg zur Lösung der Interessengegensätze nicht existent ist und auch nicht darauf gehofft werden darf, schafft Russland nun seinerseits Fakten in der Ukraine, um seinen Sicherheitspuffer im Westen aufrecht zu erhalten.

Der russische Angriff geschieht so früh, weil manche westliche Staaten die Ukraine militärisch ausrüsten wollten. Damit kommt Russland dem zuvor, solange die Ukraine noch möglichst schwach ist. Und es geschieht noch im Winter, denn wer will – und wer kann – Russland im Winter schon Kontra bieten?

Das Selbstbestimmungsrecht der Völker, I

Das Selbstbestimmungsrecht der Völker wird durch den russischen Angriff auf die Ukraine mit Füßen getreten. Das ist aber nichts Neues, und nichts, was nur Russland angekreidet werden darf. Die USA existieren nur deswegen, und sie tun es auch heute noch an jedem beliebigen Ort auf dem Planeten. Die inhumanen Sanktionen gegen Kuba, Venezuela, Nordkorea, Iran und Syrien sowie die Zerstörung von Afghanistan, Irak und Libyen zeigen das.

In den osteuropäischen Ländern wurde seit 30 Jahren der Hass gegen Russland kultiviert anstatt Aufarbeitung und Versöhnung anzustreben. Dieser Nährboden kann politisch jederzeit aktiviert werden, um Stimmung gegen Russland zu machen. Die osteuropäischen NATO-Staaten sind deswegen verlässliche Treiber der Konfrontation mit Russland, die aus ökonomischen und geostrategischen Gründen von den USA und Großbritannien gewollt ist.

Imperialismus betreiben natürlich nicht nur die USA und Großbritannien, sowie Frankreich (im Libyenkrieg, im Syrienkrieg und in Mali gut zu sehen) und Deutschland (an Deutschlands Balkan-Politik seit den 1980ern und in der Griechenlandkrise ab 2010 gut zu beobachten, aber auch in Afghanistan, Mali und gerade erst auch im Indopazifik), sondern auch Russland, das in seiner Nachbarschaft vasallentreue Satellitenstaaten (be)halten und zu einer Weltmacht werden möchte. Das ist immer schlecht und schlimm, auch wenn Machtpolitiker und Historiker in ihren Elfenbeintürmen darin die Herstellung und Wahrung eines universalen Friedens sehen mögen – einen gegenwärtigen „Römischen Frieden“.

Im aktuellen Fall des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine handelt es sich aber tatsächlich nicht nur um die imperialistische Beschneidung ukrainischer Selbstbestimmung, sondern auch um die Wiederherstellung von strategischer Sicherheit für Russland. Zumindest das ist ein legitimes Bedürfnis und Interesse. Hätte man den Interessenausgleich auf diplomatischem Wege nicht jahrzehntelang sabotiert, hätten gestern und heute die Waffen geschwiegen. Ukrainische Bürger wollen in Ruhe und Frieden leben, russische aber ebenso. Nun leiden ukrainische Bürger – nicht, weil sie Russland bedrohen, sondern weil durch ihre geografische und strategische Lage Russland von den USA bedroht wird.

Das Selbstbestimmungsrecht der Völker, II

Die Ukraine ist Opfer und Spielball zweier Atommächte. Wäre da nicht Neutralität besser gewesen – ein blockfreier Zustand, in dem die Ukraine aufgrund ihrer besonderen Lage mit beiden Seiten je die für sie selbst besten Verträge hätte aushandeln können? Das wäre doch eigentlich im Interesse der Ukraine gewesen: Als selbstbewusster Schlüsselstaat zwischen zwei um Einfluss buhlenden Mächten je die besten Deals bekommen! Aber Spielball und Bauernopfer der USA zu sein, lohnt sich offenkundig nicht. Die NATO hat vorab schon angekündigt, die Ukraine im Kriegsfall nicht zu verteidigen. Diese Portion strategischer Realismus bewahrt uns zumindest vor dem Atomkrieg.

Anstatt zwischen zwei „Teufeln“ den ferneren zu wählen, also zwischen zwei Arten von Fremdbestimmung zu wählen, hätte man die dritte Option wählen sollen, die Selbstbestimmung, also die Option der (Block-)Freiheit. Dazu wäre eine Bevölkerung und Politik nötig gewesen, die sich nicht von ihrem Hass, sondern von ihren Interessen leiten lässt. So aber ist die Teile-und-herrsche-Strategie der Westmächte auf fruchtbaren Boden gefallen. Bis vorgestern erfolgreich.

Russland profitierte von der politischen Schwäche seiner Nachbarn, solange sein Einfluss noch währte. Dann fiel ihm, als der Wind plötzlich aus Westrichtung wehte, diese politische Instabilität auf die Füße. Im Ergebnis schwächte Russland sich damit selber, entblößte gar ein existentielles Sicherheitsrisiko an seiner Westgrenze. Nun holt es sich die Ukraine auf die blutige Tour zurück, um den Fehler zu beheben.

Im oligarchischen Morast der post-sowjetischen Ukraine wechselten sich prorussische und prowestliche Marionetten ab, bis 2014 die Abspaltung von Donezk und Luhansk eintrat, weil die ukrainische Putschregierung massiv Rechte der russischsprachigen Minderheit beschneiden wollte. Durch die Forderung des IWF, nur Kredite zu gewähren, wenn die Kontrolle über die Separatisten-Gebiete zurück erlangt würde, wurde die Ukraine zu einem Bürgerkrieg gedrängt, in dessen Folge die Krim mit Russland vereinigt wurde. Das Friedensabkommen „Minsk II“ von 2015 ließ die Ukraine unbeachtet liegen.

Russland hätte sich mit einer Neutralität von Georgien und Ukraine begnügt. Aber der Westen und prowestliche Marionetten in diesen Ländern mussten es auf die Spitze treiben. Darauf reagierte Russland jeweils mit Angriffskriegen, die sich aber auch als erweiterte Grenzsicherungsmaßnahmen interpretieren lassen. Krieg ist schlimm. Aber jemanden zum Krieg zu drängen, ist nicht weniger schlimm. Gleiches gilt dafür, jemanden international isolieren zu wollen, um aus dem Land wieder eine Rohstoffkolonie zu machen. Wo ist da das Selbstbestimmungsrecht der Völker? Wir „verteidigen unsere Freiheit am Hindukusch“, aber Russland darf Sicherheit nicht einmal am Nachbarszaun haben dürfen?

Ausblick

Es ist zwar richtig, dass die Friedensbewegung die Rückkehr zum Verhandlungstisch fordert, aber dann müsste der Westimperialismus an ebendiesem Verhandlungstisch Abstand von seinen eigenen Begierden in Bezug auf Russland nehmen. Das ist so wünschenswert wie unwahrscheinlich.

Einen Waffenstillstand ohne Lösung der prinzipiellen Sicherheitsprobleme wird es sicherlich nicht geben. Dass Verhandlungen nicht helfen, hat Russland über 22 Jahre lang nachdrücklich erfahren und zuletzt auch schwarz auf weiß erhalten.

Die Gier des Westens will sich von Anderen keine roten Linien aufzeigen lassen. So wird ihr eben von Anderen, sofern sie dazu in der Lage sind, das Stopp-Schild gezeigt. Nur wenn die westliche Kapitalistenklasse sieht, dass der politische Überbau zumindest sein Äußerstes versucht hat, um ihr Kapital zu mehren, können sie ihre Niederlage vorerst tolerieren. Danach geht es natürlich weiter wie bisher.

Bleibt also nur zu hoffen, dass Russland in dieser Demilitarisierungs- und Entnazifizierungs-Kampagne möglichst schnell seine militärischen und politischen Ziele erreicht, ohne dass es eine größere Zahl ziviler Opfer zu beklagen gibt. Russische Propaganda behauptet immer, es gebe keine zivilen Opfer, aber das ist selbstverständlich Unsinn. In Syrien und in der Ukraine. Wo Bomben fallen und Raketen zersplittern gibt es immer auch zivile Opfer.

Wenn bei den Angriffen die ukrainischen Faschisten von Svoboda, Stepan Bandera Treezoob, Rechtem Sektor, Volksfront und rechtsextremen Kampfverbänden à la Asow-, Aidar– und Donbass-Bataillon, die so aktiv am Maidan-Putsch und in der prowestlichen Ukraine mitgewirkt haben, zu Schaden kommen sollten, wird sich das Mitleid sehr in Grenzen halten.

Dass die EU darüber wehklagen würde, wäre jedoch so beschämend wie bezeichnend. Das sind aus ihrer Sicht schließlich die „guten Nazis“. Wahr ist das nur insofern, als die russischen Angriffe das Potential haben, aus diesen Nazis erst „gute Nazis“ zu machen … .


Nachträge

[ 27.02.2022 ]

Unparteiischer Protest

Adäquate (d.h. die Bedürfnisse der Menschen beider Seiten berücksichtigende) Slogans für Friedensdemos könnten vielleicht sein:

  • „Imperialismus ist immer schlecht.“
  • „Selbstbestimmung, Sicherheit und Frieden für alle!“
  • „Verhandeln! Beide Seiten ernstnehmen!“
  • „Konfliktursachen erkennen und friedlich lösen.“

Nicht nur der Krieg soll aufhören, sondern der ganze Konflikt muss gelöst werden. Partei-Ergreifen hieße, zum Konfliktteilnehmer zu werden.

[ 04.03.2022 ]

Neutrale Position

Am 1. März 2022 hat der kubanische UN-Botschafter Pedro Pedroso Cuesta in New York eine vorbildlich ausgewogene und sachgerechte Erklärung zum Ukrainekrieg abgegeben. In seiner Rede geht es um eine Lösung, die die Sicherheit und Souveränität aller garantiert, um die Wahrung des Völkerrechts, wird der Krieg und Verlust an Menschenleben zutiefst bedauert, wird auf die Vorgeschichte hingewiesen, die zur gegenwärtigen Situation geführt hat, wird die Rolle von USA und NATO aufgezeigt, und der Resolutionsentwurf (der am 2.3.2022 von der UN-Generalversammlung angenommen wurde) wegen einseitiger Schuldzuweisungen kritisiert.

[ 26.03.2023 ]

Vorgeschichte und Hintergründe

1997

Die entscheidende Weichenstellung in Richtung Ukrainekonflikt hat Boris Jelzin 1997 vorgenommen, indem er die NATO-Osterweiterung abgesegnet hat. Jelzins Haltung ist für die Jahre 1993 bis 2000 dokumentiert anhand von nun veröffentlichten Geheimdokumenten des britischen Außenministeriums.

Für den NATO-Gipfel in Madrid 1997, bei dem die Aufnahme Polens, Tschechiens und Ungarns in die NATO beschlossen wurde (die 1999 in Kraft trat), wurde auf Jelzins Wunsch für russisch-inländische PR-Gründe die „NATO-Russland-Grundakte“ erfunden, die eine Zusammenarbeit simulieren sollte und keine rechtsverbindliche Kraft hatte. So konnte Jelzin behaupten, dass die NATO trotz Ost-Erweiterung Russlands Sicherheitsbedenken ernst nähme. Er unterzeichnete die Grundakte, obwohl die NATO russische Forderungen ablehnte, die baltischen Staaten und die Ukraine von der NATO-Osterweiterung auszunehmen.

Der russische Premierminister Tschernomyrdin war strikt gegen die NATO-Osterweiterung, konnte sich aber nicht durchsetzen. Er hatte einen Ausbau der OSZE – anstatt der NATO – befürwortet. Tschernomyrdin sah ein, dass er die NATO-Osterweiterung nicht stoppen konnte, erklärte aber, dies würde die europäische Sicherheit schädigen und eine zerbrechliche Situation schaffen, die explodieren könne. Er meinte auch, wenn Russland mit einem vereinten Europa konfrontiert wäre, würde es voller atomarer Verteidigung bedürfen, so dass nukleare Abrüstungsvereinbarungen nicht mehr angemessen seien.

Damit wurde Europas Sicherheit untergraben, die sich nach dem friedlichen Ende von Sowjetunion und Warschauer Pakt doch so sehr verbessert hatte, dass die Weltuntergangsuhr 1991 auf 17 Minuten vor 12 Uhr umgestellt worden war. Seit dem 24.01.2023 steht sie bei 90 Sekunden vor Mitternacht.

2013-2015

Der westlich unterstützte Maidan-Putsch in der Ukraine 2013/2014 überschritt eine „rote Linie“, worauf die unblutige Annexion der Krim erfolgte sowie die Abtrennung der Donbass-Provinzen Donesk und Luhansk, der Bürgerkrieg der Westukraine gegen sie, sowie die Friedensabkommen Minsk I und II, die aber nur Hinhaltetaktik waren.

Angela Merkel gab am 07.12.2022 in einem Interview mit „Die Zeit“ zu, dass sie das Friedensabkommen Minsk II nicht umsetzen wollte, sondern damit nur Zeit gewinnen wollte, um der Ukraine Zeit zu verschaffen zur Vorbereitung für den Konflikt mit Russland. Francois Hollande bestätigte das am 28.12.2022 in einem Interview mit dem „Kyiv Independent“.

2020

Die Ukraine wird NATO Enhanced Opportunities Partner.

2021

Noam Chomsky weist darauf hin, dass die USA und Ukraine am 01.09.2021 das „Joint Statement on the U.S.-Ukraine Strategic Partnership“ unterzeichneten, das die Ukraine zu einem militärischen Partner der USA gemacht hat.

2022

Jeffrey D. Sachs zum neunten Jahrestag des Ukraine-Krieges:

Im März 2022 erklärte die Ukraine, dass sie auf der Grundlage von Neutralität verhandeln würde. Der Krieg schien tatsächlich kurz vor dem Ende zu stehen. Sowohl ukrainische und russische Offizielle als auch die türkischen Vermittler gaben positive Erklärungen ab.

Heute wissen wir vom ehemaligen israelischen Premierminister Naftali Bennett, dass die USA diese Verhandlungen blockierten und stattdessen eine Eskalation des Krieges befürworteten, um „Russland zu schwächen“.

[ 07.05.2023 ]

NATO-Fernosterweiterung

Die NATO-Expansion in den Raum Asien-Pazifik wird ganz analog zum russischen Gegenangriff in der Ukraine zu Spannungen und einem möglichen Krieg zwischen der NATO und China führen. Einmal mehr zeigt sich daran, dass die NATO der militärische Arm des westlichen Imperialismus ist, auf dessen Fahnen „Freiheit“ und „Demokratie“ stehen, obwohl es ihr nur im die eigenen Kapitalwerte geht.

Im Jahr 2011 hatte Barack Obama damit begonnen, die US-amerikanische Außenstrategie schwerpunktmäßig auf den Raum Asien und Pazifik zu legen (pivot to Asia/Pacific). Der Gedanke war, dass Europa das schwache Russland in Schach halten solle. Mit dem Maidanputsch in der Ukraine, der Aufnahme der Krim in die Russische Föderation und dem russischen Militäreinsatz in Syrien gegen die westlich-arabisch unterstützten Terroristen zeigte sich 2015, dass diese Rechnung nicht aufging. Acht Jahre später wittert der westliche Welthegemon erneut Morgenluft. Nun gilt der pivot to Asia/Pacific nicht mehr nur für die USA, sondern auch für die NATO, ihre nützliche Idiotentruppe.

[ 29.05.2023 ]

Der Ukraine-Krieg wurde provoziert

Lese-Empfehlung: Jeffrey D. Sachs: Der Ukraine-Krieg wurde provoziert. Warum das für Frieden zentral ist. Sachs zitiert wichtige Einschätzungen von Zeitzeugen und Protagonisten seit den 1990er Jahren. Bemerkenswert ist jedoch auch Folgendes: „Der ehemalige Selenskyj-Berater Oleksij Arestowytsch erklärte in einem Interview 2019, ‚dass unser Preis für den Nato-Beitritt ein großer Krieg mit Russland ist.'“ Dagegen muss festgehalten werden: Frieden mit Russland gibt es, sobald der Westen Russland glaubwürdig Sicherheit zugesteht. Sonst gibt es nie mehr Frieden, sondern nur noch Kalten, heißen oder thermonuklearen Krieg.

[ 15.10.2023 ]

Jens Stoltenberg: Krieg Russlands gegen NATO-Osterweiterung seit 2014

Am 7.9.2023 hat NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in einer Rede vor dem EU-Parlament gesagt:
„… drittens haben die NATO-Staaten jetzt wirklich bewiesen, dass sie die 2014 eingegangene Verpflichtung einhalten, denn der Krieg begann nicht erst im Februar letzten Jahres. Er begann im Jahr 2014. Die vollwertige Invasion Russlands fand letztes Jahr statt, aber der Krieg, die illegale Annexion der Krim, der Einmarsch Russlands in den östlichen Donbass, fand 2014 statt.“ Und: „[Putin zog] in den Krieg, um die NATO, mehr NATO in der Nähe seiner Grenzen zu verhindern.“ Die Rede auf Youtube.

Jeffrey D. Sachs: Warum lehnt Russland die NATO-Erweiterung ab?

Es gibt mehrere Gründe, warum Russland das US-Militär an seiner 2.300 Kilometer langen Grenze mit der Ukraine in der Schwarzmeerregion nicht haben will.

Russland schätzt die Stationierung von Aegis-Raketen durch die USA in Polen und Rumänien nicht, die durchgeführt wurde, nachdem die USA den ABM-Vertrag 2001 einseitig gekündigt haben.

Russland begrüßt auch nicht die Tatsache, dass die USA während des Kalten Krieges (1947-1989) nicht weniger als 70 Regime-Change-Operationen in vielen Ländern durchführten … und seitdem unzählige weitere, darunter in Serbien, Afghanistan, Georgien, Irak, Syrien, Libyen, Venezuela und der Ukraine.

Russland gefällt auch nicht die Tatsache, dass viele führende US-Politiker unter dem Banner der „Dekolonisierung Russlands“ aktiv die Zerstörung Russlands befürworten.“

„Oleksij Arestowytsch, ehemaliger Berater des Präsidialamtes der Ukraine unter Selenskyj, erklärte, dass „mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9 Prozent unser Preis für den Nato-Beitritt ein großer Krieg mit Russland ist“.“

„Erst als die USA im Februar 2014 ein entschieden antirussisches, pro-Nato-Regime installierten, nahm sich Russland die Krim zurück, da es befürchtete, dass sein Marinestützpunkt im Schwarzen Meer auf der Krim (seit 1783) in die Hände der Nato fallen würde.

Seit 2014 forderte Russland kein weiteres Territorium von der Ukraine, sondern nur die Erfüllung des von den Vereinten Nationen unterstützten Minsk-II-Abkommens, das die Autonomie des ethnisch-russischen Donbass forderte, und erhob keinen russischen Anspruch auf dieses Territorium.“

Die einfache Wahrheit: „Die Ukraine wird durch die Arroganz der USA zerstört, was erneut Henry Kissingers Sprichwort beweist, nach dem es gefährlich ist, ein Feind der USA zu sein, während es tödlich ist, ihr Freund zu sein.

Der Ukraine-Krieg wird enden, wenn die USA eine einfache Wahrheit anerkennen: Die Nato-Erweiterung um die Ukraine bedeutet ewigen Krieg und die Zerstörung dieses Landes. Die Neutralität der Ukraine hätte den Krieg vermeiden können und bleibt der Schlüssel zum Frieden.“

[ 26.11.2023 ]

Sofort verhandeln, weil die Verhandlungsposition immer schlechter wird

In „The National Interest“ schreibt Matthew Blackburn, Senior Researcher am norwegischen „Institute of International Affairs’ Research Group on Russia, Asia, and International Trade“ am 21.11.2023, dass die derzeitige Situation in der Ukraine kein Patt sei, weshalb ein Einfrieren des Konflikts wie beim Koreakrieg kaum denkbar sei.

Russland habe derzeit alle militärischen und politischen Vorteile und deswegen keinen Grund, sich auf vage Gesprächsangebote einzulassen. Trotzdem sollten Gespräche geführt werden, denn mit der Zeit würde es nur immer schlechter für die Ukraine und den Westen werden. Bereits der Oberkommandierende der ukrainischen Streitkräfte, General Walerij Saluschnyj, sagte, dass je länger der Krieg andauere, desto besser sei es für Russland.

Eine vertane Chance gab es 2022: „Moscow was ready to agree to Ukraine’s neutrality combined with NATO-style “security guarantees” in the March 2022 negotiations“.

Verhandlungen könnten Russland nur schmackhaft gemacht werden, wenn sie berücksichtigen, dass „[a]ny settlement in Ukraine that ends with it integrated and armed by NATO is utterly unacceptable for the Russian security state and military—as well as the tens of millions who strongly support the war inside Russia.“

[ 02.12.2023 ]

Falsche Lehren aus der Geschichte

Robert D. English, Politikprofessor an der University of Southern California, warnt vor falschen politischen Wahrnehmungen und Entscheidungen aufgrund von falschen Lehren, die aus der Geschichte gezogen werden. Diese falschen Analysen und Schlüsse kosten die Ukraine viele Menschenleben und den Westen viel Geld.

Russland sei viel widerstandsfähiger als geglaubt. Die Mehrheit der Bevölkerung stehe hinter Putin, weil er – anders als die Politchaoten Zar Nikolaus II. und Präsident Boris Jelzin – Stabilität, strategische Sicherheit und Nationalstolz verbürge. Während die westliche Rüstungsindustrie den Munititonsbedarf der Ukraine nicht decken könne, seien Russen stolz darauf, es mit allem aufnehmen zu können, was die NATO ihnen entgegen werfe.

Selbst ein schlechtes Verhältnis bei Verlusten an Menschen und Material auf dem Schlachtfeld sei historisch nie ein strategischer Nachteil Russlands gewesen, sondern immer eine Ressource, die letztlich zum Sieg verholfen habe. Die Ukraine habe diese Ressource nicht. Nach der Schlacht um das unbedeutende Bachmut, wo russische Sträflinge sämtliche Elitetruppen der Ukraine töteten, betrage das Durchschnittsalter der ukrainischen Soldaten nun 43 Jahre.

Trotz Sanktionen bringe Russland weiterhin Rüstungsinnovationen bei Präzisionsbomben, Drohnen und Raketen hervor.

Für eine Beendigung des Krieges von russischer Seite aus, wie beim Afghanistankrieg der Sowjetunion, brauche es einen Wechsel von Regierungschef und Führungseliten, der aber nicht erkennbar sei.

Die Sanktionen gegen Russland sind gescheitert

Ebenso wie die gescheiterte ukrainische Gegenoffensive haben auch die Sanktionen gegen Russland keine durchschlagende Wirkung gehabt. Bereits vor der russischen Invasion in der Ostukraine hatten die USA 2021 über 8.000 Sanktionen gegen Russland verhängt. 2022 kamen Sanktionen in den Bereichen Rüstung, Technologie, Außenvermögen, Bankenwesen, Energie und gegen Geschäftsleute hinzu, die beinahe im Monatstakt ergänzt wurden.

Die Auswirkungen auf die russische Wirtschaft waren zwar beträchtlich, aber trotzdem ist Russland in der Lage, seinen Verteidigungshaushalt von 63 Milliarden Euro (3,9 % des BIP) 2023 auf 107 MIlliarden Euro (6 % des BIP) im Jahr 2024 zu erhöhen. Die Auswirkungen auf die westlichen Gesellschaften hingegen sind hohe Energiekosten und ein sinkender Lebensstandard. Im Unterschied zur russischen Gesellschaft sind die westlichen Gesellschaften nicht allzu widerstandsfähig. Während die Sanktionen den Westen in die Rezession getrieben haben, wächst das russische BIP 2023 um 2,2 % und für 2024 prognostiziert der Internationale Währungsfonds noch 1,1 % Wachstum.

Der Westen wird die Sanktionen und das eingefrorene russische Auslandsvermögen bei Friedensverhandlungen aufgeben müssen.

Die Zeit arbeitet für Russland

In allen Belangen steht es für Russland besser als für die Ukraine. Obwohl das immer deutlicher wird, beharrt der ukrainische Präsident Selenskyj auf seinen Maximalforderungen nach Rückeroberung des Donbass und der Krim. Russland kann wählen zwischen Zermürbungstaktik oder Offensive und wird wahrscheinlich irgendwann die Ukraine und den Westen vor vollendete Tatsachen stellen, hinter die sie auch bei einem Einknicken bei Verhandlungen nicht mehr zurück können.

Düstere Zukunftsaussichten für die Ukraine

Die Westfront bröckelt. Die Mehrheit der US-Amerikaner ist gegen weitere Unterstützung. Polen, Ungarn und die Slowakei wollen ihre Hilfen beenden. In diesem Trend steht auch der Höhenflug der AfD sowie die angekündigte Gründung einer mitte-linken Partei um Sahra Wagenknecht, die beide bereit sind, mit Russland zu reden. Diese Entwicklung kann zu einem Wendepunkt führen, an dem die Ukraine ihre Unterstützung verliert und ihr Rückeroberungswille zusammenbricht.

Da Russland keine Absicht haben wird, eine ihm feindlich gesonnene Westukraine zu besetzen, und eine direkte Nachbarschaft zu Polen und Baltikum militärstrategisch hochbrisant wäre, würde der Kreml wohl einen westukrainischen failed state akzeptieren. Möglicherweise würde Russland noch versuchen, die übrige ukrainische Schwarzmeerküste zu erobern. Dies würde Raum schaffen für die Bildung eines ausgedehnten Niemandslandes als Pufferzone mit stark befestigten russischen Stellungen. Danach könnte Russland einseitig einen Waffenstillstand erklären.

Eine solch unstabiler Zustand würde die Ukraine dauerhaft schädigen, die westlichen Staaten wegen der zu erwartenden Flüchtlingswelle und wegen Streit um Ursachen und Lehren dieses Debakels destabilisieren, und die geostrategische Lage insgesamt in einer prekären Situation belassen, weil in einer dauerhaften Konfrontation mit Russland keine Rüstungskontrollverträge und Konfliktbearbeitungsmechanismen bestünden, die im Kalten Krieg das Überleben der Menschheit gesichert hatten. Russlands Kooperation mit Asien würde es stärken.

Der Westen muss schnell eine Entscheidung darüber treffen, wie er mit Russland eine europäische Sicherheitsarchitektur schaffen kann. Ohne Zugeständnisse besteht die Gefahr, plötzlich nicht mehr als Mitentscheider in Betracht zu kommen, weil Russland unilateral Fakten schafft.

[ 09.02.2024 ]

Interview mit Wladimir Putin

Im 127-minütigen Interview von Tucker Carlson mit Wladimir Putin spricht der russische Präsident über eine Stunde lang über die russisch-ukrainische Geschichte und über die Geschichte und Vorgeschichte des Ukrainekrieges.

[ 24.02.2024 ]

Zwei Jahre nach Beginn der russischen Invasion

In „The Hill“ kommt der Militäranalyst und ehemalige CENTCOM-Sprecher, Oberst Joe Buccino, zu dem Schluss, dass die Ukraine selbst mit US-Hilfe nicht mehr gewinnen könne. Alle Vorteile lägen bei Russland, das auch einen lang anhaltenden Krieg durchstehen könne, während der Ukraine die Unterstützung und die Soldaten ausgingen. Selbst die versprochenen F-16-Jets würden daran nichts mehr ändern können, zumal sie intakte Flugplätze benötigten, die es in der Ukraine praktisch nicht mehr gäbe. Die beste Option für die Ukraine sei eine Verhandlungslösung mit Russland über die Souveränität und Integrität der Ukraine. Aber auch das sei unwahrscheinlich aufgrund der in den letzten zwei Jahren immer schwächer gewordenen ukrainischen Verhandlungsposition.